Karls Rennen

Ein Spiel auf einem alternierenden Parkett von Karl Scherer

von Ingo Althöfer, 2006
aufgefrischt im Mai 2015


Eine Parkettierung eines grossen Quadrates durch mindestens zwei kleinere Quadrate heisst alternierend, wenn sie keine zwei Quadrate der gleichen Grösse mit angrenzenden Seitenstücken enthält. In seinem tollen Buch "New Mosaics" von 1997 behauptet Dr. Karl Scherer, dass das folgende Beispiel (von ihm selbst gefunden) das mit der kleinstmöglichen Anzahl (=20) kleiner Quadrate sei.

Karl Scherer zeigt auch eine wunderschöne Lösung mit 21 kleinen Quadraten: hier kommt jede Seitenlänge von 1 bis 5 in genau vier Quadraten vor, und Länge 6 gibt es einmal in der Mitte. Die Gesamtfläche ist
4*[1+4+9+16+25] + 36 = 256.
Also hat das grosse Quadrat Seitenlänge 16.

Als ich die 21er-Lösung sah, war es Liebe auf den ersten Blick. In einem Online-Shop konnte man diese Parkettierung aus Holz erwerben. Leider wurde im Shop der Name des Entdeckers (Karl Scherer) nicht genannt, obwohl ich ihn dem Inhaber mitgeteilt hatte.



Karls Rennen

"EinStein würfelt nicht" (Ewn) aus dem Jahr 2004 ist mein schönstes 2-Personen-Spiel, erschienen im 3-Hirn-Verlag. Der komplizierteste Moment im Herstellungsprozess ist, wenn die Nummern auf die Steine kommen. Mit Karls 21er-Parkett kann man Ewn ohne Stein-Nummern spielen: Wenn ein Spieler mit dem Würfel "t" Augen rollt, muss er einen Stein ziehen, der momentan auf einem Quadrat mit Seitenlänge "t" liegt. Wenn der Spieler solch einen Stein nicht hat, muss er einen Stein von einem Feld ziehen, das die grösstmögliche Seitenlänge kleiner als "t" oder die kleinstmögliche Seitenlänge grösser als "t" hat. Statt der Nummern auf den Steinen entscheiden also die Seitenlängen der Felder, auf denen die Steine liegen.

Die genauen Regeln für zwei Spieler

Jeder der beiden Spieler hat zu Beginn sechs Steine, platziert in seiner Heimatecke des Spielbrettes, auf den kleinen Quadraten mit Seitenlängen 1, 2, 3, 3, 4, 5. Spieler "Schwarz" beginnt in der Ecke links oben (auch Nordwest-Ecke genannt), Gegner "Weiss" startet rechts unten, in der Südost-Ecke auf den Feldern 1, 2, 3, 3, 4, 5. Das nächste Diagramm verdeutlicht die Startaufstellung.



Schwarz ist Sieger, wenn einer seiner Steine das 4er-Feld direkt in der Südost-Ecke des Brettes erreicht. Analog hat Weiss gewonnen, wenn einer seiner Steine das 4er-Feld in der Nordwest-Ecke erreicht hat. Ein Spieler hat verloren, wenn er keinen Stein mehr auf dem Brett hat.

Die Spieler ziehen strikt abwechselnd. Weiss beginnt oder der Spieler, der die vorherige Partie verloren hatte. Ein Zug besteht aus zwei Teilen: Man rollt zuerst den 6-seitigen Würfel und zieht dann einen zulässigen eigenen Stein.

Wenn jemand eine Zahl "t" würfelt, muss er einen seiner Steine ziehen, der derzeit auf einem Feld mit Seitenlänge "t" steht. Wenn solch ein Stein nicht existiert, muss er wahlweise einen Stein ziehen, der unter all seinen Steinen auf Feldern mit Seitenlänge kleiner "t" einen auf einem grössten Feld ziehen. Oder er muss unter all seinen Steinen auf Feldern mit Seitenlänge grösser "t" einen auf einem kleinsten Feld ziehen. EinStein-Spieler wissen, was gemeint ist. Zur Klärung aber ein Beispiel: Die vier Steine des Spielers mögen auf Feldern mit Seitenlängen 2, 3, 3, 6 stehen. Wenn der Spieler eine 4 würfelt, stellt er zunächst fest, dass er keinen Stein auf einem 4-Feld hat. Deshalb darf er einen der Steine, die auf 3-Feldern stehen, ziehen, oder den Stein auf dem 6-Feld.

Wenn auf dem Zielfeld eines Zuges irgendein anderer Stein liegt - egal ob ein fremder oder ein eigener - dann wird dieser Stein geschlagen und aus dem Spiel genommen.

Erlaubte Zugrichtungen für "Schwarz" sind nach Ost und nach Süd. Umgekehrt darf "Weiss" in die Richtungen Nord und West ziehen. Bei einem Zug muss genau eine Grenzlinie zwischen zwei Quadraten überschritten werden. Im Unterschied zum EinStein-Spiel gibt es keine Diagonalzüge, wegen der speziellen Struktur des Scherer-Brettes.

Karls Rennen für vier Spieler

Im Fall von vier Spielern werden zwei Zweierteams gebildet. Jeder Spieler startet in einer Ecke des Brettes, die beiden Partner in gegenüberliegenden Ecken. In dieser Version hat jeder Spieler zu Beginn vier Steine in seiner Farbe.

Ein Team hat gewonnen, wenn einer der Spieler die gegenüber liegende Ecke mit einem seiner Steine erreicht hat. Im Unterschied zum klassischen "EinStein quattro" hat ein Team nicht sofort verloren, wenn einer der Spieler keine Steine mehr auf dem Brett hat. Stattdessen muss dieser Spieler einfach passen, wenn er am Zug wäre.


Um Karl Scherer für seine vielen tollen Beiträge zur anschaulichen Geometrie zu ehren, habe ich dieses Spiel Karls Rennen genannt.

Empfohlen ist auch ein Blick auf die Webseite zum Brettspiel Der Schneider von Gent. Dieses Spiel wird auf einem alternierenden planaren Graphen gespielt. Alternierende planare Graphen wurden eingeführt in Anlehnung an Karl Scherers alternierende Parkette.


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